Wurstelprater

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Die anfänglich verstreuten Holzbuden mit Vergnügungsangeboten wurden anlässlich der Weltausstellung1873 als „Volksprater“ reguliert. Nach dem Praterbrand 1945 wurden die Plätze neu nummeriert.

Ein Lachen und Gaffen, ein Schieben und Drängen,
In Freude leuchtender Kinderblick-
Ein Taumeln bei seligen Walzerklängen:
Vom Wiener Leben das rassigste Stück…
„Ihr Damen und Herr`n, nur hereinspazieret!
Es geht ja sogleich die Vorstellung los:
Mäus`, Affen und Flöhe, gar niedlich dressieret,
Sie unterhalten sich famos -“
Im Wurstelprater.

Es ächzt in den Fugen die höchste der „Hutschen“,
Das „Ringelspiel“ dreht sich; es steigt der „Ballon“,
Da kann man sogar auf der „Wasserbahn rutschen“,
Dort brennt einem Kellner der Zecher davon…
Und bei einer „Banda“ heiseren Klängen
Mit einer Hannakin tanzt Polka der Franz;
In stickiger Schwüle welch` hüpfendes Drängen!
Es kostet fünf Kreuzer nur ein jeder Tanz…
Im Wurstelprater.

Ernst August Rouland: Wurstelprater (Gedicht, 1919)

Traum meiner Jugend, alter Wurstelprater,
erlebnisreicher, farbenbunter Ort:
Die Grottenbahn mit ihrem Märchenkater,
dem Zwergenkönig mit dem Zauberhort.

Der Lindwurm glotzt, die Amoretten scherzen,
Musik erklingt. Sanft weht der Frühlingswind.
Erinnerung steigt auf in meinem Herzen,
Entschwundene Zeit! – Man fühlt sich wie ein Kind.

Fritz Bartl: Wurstelprater. Ein wienerisches Epos (Drama in Versform, 1946)

Und jetzt im Weltkrieg Nummer zwei und weiter,
da schiassen sie sich wie die Hasen ab. […]
Da kenn i an, das is a so a Blader,
der arrangiert das ganze Ringelspiel.
Er is a so a Art von Calafati,
nur is er net im Wurschtelprater z´haus.

Fritz Bartl: Freudenau 1943. Ein wienerisches Epos in Spielszenen (Theaterstück, 1945)

Ein bunter Menschenstrom floß hier an den Buden vorbei, die mit grellen Lichtern leuchteten, Soldaten mit ihren Geliebten, junge Leute, jubelnde Kinder, die sich an den unerhörten Sehenswürdigkeiten nicht satt­sehen konnten. Und dazwischen ein entsetzliches Chaos von Tönen, Militärkapellen und andere Musiker, die sich gegenseitig zu übertönen suchten, Werkel, Ausrufer, die mit schon heiserer Stimme ihre Schätze anpriesen, Gewehrschüsse aus den Schießbuden und Kinderstimmen in jeder Tonlage.

Stefan Zweig: Praterfrühling (Novelle, 1900)

Im Wiener Wurstelprater unterhält sich das kleine, in den Praterauen das geile Volk, jedes auf seine Weise. Im Wurstelprater pflanzen bis an den Rand mit Schweinebraten, Knödeln, Bier oder Wein vollgefüllte Eltern ihre ebenso aufgefüllte Brut in die Töpfe oder auf die bunt lackierten (Plastik-)Pferdchen, Elefanten Autos, bösen Drachen hinein oder hinauf, und das in Drehung versetzte Kind speit das ihm vorher mühsam Eingeschaufelte wieder hinaus. […]

Elfriede Jelinek: Die Klavierspielerin (Roman, 1983)

Anna Rosner, lässig die Zügel in der Hand, würdig, aber mit einem etwas verschmitzten Gesicht, ritt einen weißen Araber; Sissy wiegte sich auf einem Rappen, der sich nicht nur im Kreise mit den andern Tieren und Wagen drehte, sondern außerdem hin und herschaukelte…

Arthur Schnitzler: Der Weg ins Freie (Roman, 1908)

Das Karussell war in der Tat stattlich, es bestand aus Pferden, Wagen, Schlitten und Booten. Es drehte sich um eine große Statue aus buntem Pappmaché, einer Jungfrau, mit zwei weizenblonden Zöpfen, Riesenarmen, einer turmhohen Frisur und einer Riesenkrinoline. Aus ihrem Inneren ertönte eine Drehorgel. Das Karussell stand auf einem runden, hölzernen Unterbau. […] Jetzt stand man unten, über sich den Lärm der Menschen, die Musik der Orgel, das Gerassel der Ketten, an denen die Fahrzeuge schlenkerten. Es war dunkel und feucht. Ein Esel, grau wie der Dämmer in diesem Raum, drehte sich unaufhörlich im Kreis, einem Hafersäckchen nach, das unerreichbar vor ihm herbaumelte. Das Tier erhielt das Karussell in
Betrieb, […]

Josef Roth: Die Geschichte von der 1002. Nacht (Roman, 1939)

Der Weg führte zum Toboggan, einer der ältesten noch existierenden Attraktionen aus der Frühzeit des Praters. Benannt ist dieser hoch aufragende, aus Holz gefertigte Turm nach den kufenlosen Schlitten der kanadischen Indianer. Man saust auf einem Toboggan-ähnlichen Teppich die Rutsche hinab, nachdem man von einem mechanischen Förderband zumindest einen Teil der Strecke hinauf ins Turmstüberl befördert worden ist. Der ganze Turm ist ein bemerkenswertes Bauwerk: Rund um eine Konstruktion von aufwärts strebenden, die gesamte Höhe überwindenden viereckigen Holzträgern schlängelt sich außen, an den Pfosten montiert, die überdachte Rutsche spiralförmig hinauf zur Turmspitze. Früher, also sehr viel früher, Anfang des 20. Jahrhunderts, hieß diese eigentlich schlichte Attraktion noch „Teufels Rutsch“ und sollte wohl schon dem Namen nach einen kalten Schauer, gefolgt von Gänsehaut am Rücken, erzeugen.

Michael Amon: Wehe den Besiegten (Kriminalroman, 2013)