Kunst am Bau

Wohnsituation vor 1918Wohnsituation nach 1919Gemeindebauten ab 1919Wohnsituation nach 1945Gemeindebauten ab 1945Wohnsituation nach 1958 | Gemeindebauten ab 1959 | Kunst am Bau

„Karneval“ Rudolf Schwaiger, Vorgartenstraße 232-238

Im geförderten Wiener Wohnbau hat Kunst eine lange Tradition. Bereits in den 1920er- und 1930er-Jahren, im legendären „Roten Wien“, legte man Wert auf ästhetische Akzentsetzungen im Wohnbau. Sie sollten nicht nur äußerliche Zierde sein, sondern den gesamten Wohnraum aufwerten und die Arbeiterbewegung im Stadtbild manifestieren. Auch in der Nachkriegszeit erfreuten sich neben Fresken und Skulpturen Mosaike besonderer Beliebtheit. Wie in den meisten europäischen Staaten wendete auch Wien Anfang bis Mitte des 20. Jhdts etwa 1 % der Bausumme zur künstlerischen Ausschmückung ihrer kommunalen Wohnbauten auf. Die Stadt trat als Mäzen auf, schuf Arbeit für oft notleidende Künstler, betrieb Volksbildung und lenkte vielleicht auch vereinzelt von langweiligen Fassaden ab. Die Kunstwerke wurden meist erst nach Fertigstellung des Hauses geplant und aufgebracht, was ihnen den abschätzigen Titel „Briefmarkenkunst“ einbrachte.
Die Hochblüte der Kunst-am-Bau waren die 50er Jahre. Fresken, Sgraffiti, Plastiken, und vor allem die gut haltbaren Mosaike verschönerten Tore, Einfahrten und leere Wände. Vereinzelt schmückten Brunnen und freistehende Plastiken die Höfe und Grünräume. Bevor die Objekte am vorgesehenen Standort aufgestellt wurden zeigte man sie – ab 1954 – in der „Galerie im Stadtpark“. Kunst leicht zugänglich für alle Wiener, leider auch für Vandalen. Von 1949–1970 sponserte die Stadt etwa 2300 Objekte. Danach kam es zu einer rasanten Abnahme der Aufträge bis 1980/90 eine kleine Renaissance der „Baukunst“ einsetze. Bei eins bis vierzig Objekten jährlich setzte man nicht mehr auf Masse sondern vermehrt auf Qualität – nun aber mit einer intensiveren Zusammenarbeit von Künstlern und Architekten.
Leider sind viele Kunstwerke in die Jahre gekommen. Bei Fassadensanierungen, Wärmeschutzmaßnahmen und Lifteinbauten stören sie. Die Anschaffung hat man vor Jahren finanziert – für die Erhaltung ist jetzt schwer Geld aufzutreiben. Und so verschwinden immer wieder Teile der Kunst-am-Bau unwiederbringlich. So wurden in der Engerthstraße 241–247, dreizehn Mosaiksupraporten „Pratermotive“ (1,3 m breit) wegen Lifteinbauten zerstört und in der Engerthstraße 179 wurde eine Brunnenplastiken aus Kostengründen abgebaut und ohne Wasser in die Wiese gesetzt.

„Nashorn mit Jungem“ von Rudolf Kedl 1963, Engerthstraße 237

Im Allgemeinen vermittelte die Kunst-am-Bau das Bild einer heilen Welt. Männer waren kraftvolle Bauern oder Handwerker, Frauen waren Mütter. Jahreszeitenbilder und Lebens­zyklusbilder zeigten unsere Geborgenheit im ewig gleichen Kreislauf der Natur. Die weitaus größte Zahl an Objekten zeigte Blumen, Blätter, Bäume. Tiere waren lieb, jung und völlig ohne Aggression. Geschichtsbilder zeigten Szenen aus der Vergangenheit ohne sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen. Menschen waren bekleidet, Frauen allerdings nur leicht und mit „Nasseffekt“. Die erste nackte Figur war der „Stehende Jüngling“ von Franz Wotruba (1950) im Gänsehäufel. 1955 wurde die Aufstellung des Aktes „Das Weib“ von Karl Semolak in einer Wohnhausanlage von den Bewohnern immer wieder erfolgreich verhindert bis die Figur schließlich 1961 im Stadion einen Platz fand.
Abstrakte Kunst fand nur sehr zögerlich Eingang in die Kunst-am-Bau und wurde von den Bewohnern heftig kritisiert wie zum Beispiel die Plastik „Abstrakte Evolution“ von Herbert Schwarz, Engerthstraße 237 – von den Bewohnern „Modernes Grasbüschel“ genannt.
Heftige Proteste erntete auch die „Ziege“ von Alois Heidel im Georg-Emmerling-Hof (1955/57). Sie paßte nicht zu den üblichen niedlichen Tierdarstellungen. Der Künstler wollte die Verletzlichkeit des Menschen darstellen, die Betrachter erinnerte das zu sehr an Zeiten der Not und Zerstörung die sie ja gerade überwunden hatten.

Wandgebundene Objekte
Supraporte – sind direkt über dem Tor angebrachte Reliefs oder Mosaike und waren vom Barock bis zum bürgerlichen Wohnbau beliebte Schmuckelemente. Im Roten Wien nur spärlich eingesetzt gewannen solche Supraporte nach 1945 an Beliebtheit bis sie Anfang der 60er Jahre aus der Kunst-am-Bau verschwanden.
Architravfriese – sind große Friese oder Mosaikbänder über Einfahrten oder Straßenüberbauungen. Sie betonten diese besonderen Verkehrswege bis in die Mitte der 50er Jahre.
Bauplastik – in der Zeit der ersten Republik bis in den Nationalsozialismus war die plastische Ausgestaltung von Simsen und Profilen typisch. Das „Steinerne“ sollte Allgemeingültigkeit und Ewigkeit signalisieren.
Portalgestaltungen – charakteristisch für die 50er Jahre war das Torfeldmosaik. Erinnernd an die Portale mittelalterlicher Sakralbauten betonten breite, bunte Türumrahmungen den Eingangsbereich.

Wandgebundene Objekt ohne direkten Bezug zu einem bestimmten Bauglied
Galionsplastiken – nur vereinzelt wurden ganze Figuren isoliert, sozusagen an der Wand „schwimmend“ ohne Zusammenhang mit der Architektur, eingesetzt.
Hauszeichen – in den Riesenbauten der 50er und 60er Jahre, in denen sich gleichförmig Haustor an Haustor reihte, waren Hauszeichen eine wichtige Orientierungshilfe. Zuerst aufwendig gestaltete, später nur mehr einfache Bilder aus Steinzeug, Terrakotta, Majolika oder Mosaik sollten den Weg zur eigenen Wohnung erleichtern – „ ich wohne beim Fisch“
Wandbilder – eine Neuheit in der künstlerischen Gestaltung nach 1945 stellten die Wandbilder dar.

  • Sie standen entweder in Beziehung zur Architektur, waren Teil der Architektur mit dem Effekt einer „Schauseite“.
  • Mit Auflösung der geschlossenen Verbauung in einzelne Baublöcke die rundherum gleich ausschauen ersetzte das isolierte Wandbild die Schauseite. Es wurden große Bilder zwischen die Fenster verzahnt, über Eck angebracht oder füllten einfach leere Flächen. Menschen, Tiere Blumen sollten Architektursprache ersetzen.
    Eine Neuerung war nach 1955 die Archigrafik – ein unendlich fortsetzbares grafisches Muster das die ganze Hauswand überzog. Leider gibt es auch dafür kein Beispiel in der Leopoldstadt.
  • Die letzte Stufe der Entwicklung waren die irgendwo auf einem leeren Stück Wand „aufgehängten“ Bilder („Drop murals“) und schließlich die komplette Loslösung des Bildes vom Haus als freistehende Bildwand.

Freistehende Objekte
In den 50er Jahren standen die Plastiken vorwiegend im Zentrum einer Anlage. Später rückten sie in „Funktionsinseln“ und markierten z. B. einen Ruheplatz und wurden zu Spielplastiken auf einem Kinderspielplatz oder waren als freistehende Relifwände „Wegbegleiter“ auf dem Weg zu den Wohnblöcken. Am Ende der Entwicklung stand die Platzierung der Skulpturen mitten in den Grünstreifen – völlig losgelöst von der Wohnanlage. Nichts sollte den Betrachter vom Kunstwerk ablenken.