Wassergewalten

Vorgeschichte | Wassergewalten | Arbeitsbedingungen | Donaukanal | 1. Donauregulierung | Stadtentwicklung | Brücken | 2. Donauregulierung | Donauinsel | Donaubäder | Personen

Hochwässer, Eisstöße, Taufluten und Überschwemmungen bedrohten über Jahrhunderte Mensch und Tier, sowie wachsende Siedlungen im Raum Wien. Aufzeichnungen darüber finden sich lange Zeit nur in Klosterbibliotheken, Ortschroniken oder privaten Korrespondenzen. Dank der intensiven Arbeit vieler Forscher finden wir heute Daten zu Ereignissen ab den Jahren 1012/13, in denen große Hochwässer im Sommer und Win­ter Wien und seine Umgebung gefährdeten und Todesopfer und erhebliche Schäden an Gebäuden und Vieh sowie in der Landwirtschaft verursachten.

Überschwemmungen beim Eisstoß-Hochwasser 1830. Aus „Historische Hochwässer der Wiener Donau und ihrer Zubringer“

Die Landschaft änderte sich ständig durch natürliche Verschiebungen des Flussbettes, erste Regulierungsversuche, klimatische Veränderungen oder den Wandel der Land­nutzung. Die Bedrohung durch Überflutungen blieb. Ab dem Jahr 1500 erhöht sich die Anzahl der Aufzeichnungen und sie werden konkreter. Dies mag auch der steigenden Hochwasseraktivität geschuldet sein und fällt zeitlich mit dem Beginn der „Kleinen Eiszeit“ zusammen. Diese Periode brachte kürzere Sommer und strengere Winter mit ganzjährig vermehrten Niederschlägen. Das betraf alle Flüsse in Europa, natürlich auch die Donau mit all ihren Neben- und Zuflüssen.
Große Schäden entstanden nicht nur an Gebäuden, oft wurden diese weggerissen bzw. zur Gänze zerstört, Hausrat wurde weggeschwemmt, Vieh ertrank, Ernten gingen verloren und Äcker wurden überflutet, der gute Boden wurde teilweise weggerissen oder mit vom Fluss mitgeführtem Geröll und Sand überdeckt und auf Jahre hin weniger fruchtbar oder unfruchtbar. Als Folge drohten Hungersnot, Teuerung, Grundwasserverseuchung, Cholera und andere Epidemien.

1501 Himmelfahrtsgieß – Sommerhochwasser
Im Sommer des Jahres 1501 verursachten lang anhaltende Regenfälle ein historisches Hochwasser in mehreren Ländern Mitteleuropas. Schon der Juli soll sehr verregnet gewesen sein, im August kamen noch etliche Tage mit Dauerregen dazu. Da die Katas­trophe um Maria Himmelfahrt stattfand, wurde sie als „Himmelfahrtsgieß“ bezeichnet. Es war eines der schwersten Flutereignisse des 2. Jahrtausends und forderte zahlreiche Opfer sowie schwerste Schäden. An der Donau stand das bayrische Passau bis auf den Dom zu St. Stephan unter Wasser, Engelhartszell, Linz, Enns und Melk hatten schwerste Schäden zu verzeichnen. In Wien errechneten Hydrologen in den 1930-er Jahren eine Durchflussmenge von 14.000 Kubikmetern pro Sekunde. Nach diesem Wert ist die zweite Wiener Donauregulierung mit der Neuen Donau und der Donauinsel ausgelegt.

1647 Sommerhochwasser
Johann Pezzl’s Chronik für Wien schildert Folgendes: „Im August 1647 ereigneten sich so große Wassergüsse, daß die Donau sehr hoch anschwoll und zu Wien unbeschreiblichen Schaden verursachte.“ Weiters vermerkt der Chronist: „Der Wein wurde … durch Frösche verdorben.“

1730 Schneeschmelze – Tauflut im Mai
„Häufige Regen und Wolkenbrüche schwellten 1730 die Donau so sehr an, daß sie abermals … drei Vorstädte unter Wasser setzte“, berichtet „Johann Pezzl’s Chronik für Wien“, be­sonders in Mitleidenschaft gezogen waren damals Roßau, Leopoldstadt und die „Waißgärber“-Vorstadt. „Der angeschwollene Fluß selbst trieb mancherlei Trümmer und Haus­geräthe von zerstörten Ortschaften bei Wien vorbei, und man fing unter Anderem zwei Wiegen auf, in deren einer ein totes Kind, in der anderen ein noch lebendes Kind lag.“

1744 Eisstoß und Tauflut im März
Damals saßen die Bewohner der tiefer gelegenen Vorstädte Lichtental, Roßau, Leopoldstadt und Weißgerber tagelang auf den Dachfirsten ihrer Häuser fest. Versorgt wurden sie, indem ihnen von Booten aus auf langen Stangen Lebensmittel gereicht wurden.

1786 Sommerhochwasser
Es war ein besonders hartes Jahr, die Vororte Leopoldstadt. Brigittenau, Jedlersdorf und Floridsdorf wurden im Juni, Juli und August insgesamt vier mal überschwemmt. Im Juni und Juli jeweils durch ein „großes“ Hochwasser, im August 2 mal durch ein „kleines“.

1830 Eisstoß und Tauflut
Im Jänner 1830 sanken die Temperaturen auf -22 Grad Celsius. Ein Monat lang hielt der sich bildende Eisstoß an, ehe Ende Februar Tauwetter einsetzte. Das Eis brach, die abgehenden Schollen zerstörten die große Taborbrücke und rissen unzählige Gebäude nieder; vom 26. Februar bis 10. März 1830 überflutete der Strom vor allem die Vorstädte: Leopoldstadt, Floridsdorf, Leopoldau, Roßau und Stadlau. Es kam zu katastrophalen Verhältnissen und enormen Schäden, es wird von 74 Toten – darunter 19 Kinder – und 681 zerstörten Häusern berichtet.

1850 Hochwasser durch Eisstau
Die „Illustrirte Zeitung“ in Leipzig schildert die Ereignisse in ihrer Ausgabe vom 23.2.1850: „Schon der Nacht vom 1. zum 2. Februar hatte sich die Temperatur geändert, am 2. bei einem warmen Regen ging das Eis fort und vom frühen Morgen an hörte man von Zeit zu Zeit Kanonendonner von den Basteien als Signal wegen der Wassersgefahr. Sie ließ auch nicht lange auf sich warten, denn bei anbrechendem Abend war bereits Floridsdorf, der Tabor, Leopoldstadt, Erdberg, Weißgärber und Jägerzeile zum Theil überfluthet. Des Nachts fiel das Wasser, aber nur, um des Sonntags in noch größerm Maße hereinzubrechen, so daß die Überschwemmung auf dem Marchfelde einem wahren Meere glich.“

1862 Hochwasser
Das Hochwasser vom Februar 1862 war auf anhaltendes Tauwetter zurückzuführen und überschwemmte in Wien zerstörerisch Gebiete am linken und rechten Ufer der Donau, besonders betroffen waren die Leopoldstadt, die Brigittenau, Zwischenbrücken, die Roßau, Floridsdorf, Mühlschüttel und Stadlau, sowie die Große Donaubrücke und Langenzersdorf.

1899 „Jahrhunderthochwasser“ im September
Im September 1899 ereignete sich mit rund 10.000 Kubikmetern pro Sekunde ein sogenanntes 100-jähriges Hochwasser nach anhaltenden Regenfällen. München verzeichnete ein Jahrhunderthochwasser, dort wurden Uferanlagen im Stadtbereich und zwei große Isarbrücken zerstört. Die 1899 erreichten Wasserstände waren die höchsten jemals gemessenen im Isar- und Inngebiet, die Donau brachte enorme Wassermassen mit nach Wien. Rechts der Donau wurden Hafenanlagen, Lagerhäuser und ca. 50.000 Keller in Mitleidenschaft gezogen.

1899 Eisstoß und „kleines“ Hochwasser
Auf der Donau bildete sich ein Eisstoß von 57 km Länge. Am 25. Dezember erreichte er um 11 Uhr nachts die Reichsbrücke und schob sich dann auf. Bei der Stadlauer Eisenbahnbrücke erreicht er eine Höhe von fast 4 Metern. Das in der Folge auftretende Hochwasser beschränkte sich im Großen und Ganzen auf das Inundationsgebiet.

1929 Eisstoß – die Hauptattraktion von Wien
Im Februar 1929 sanken die Temperaturen bis auf -29 Grad Celsius, es baute sich ein seit Jahrzehnten nicht mehr gesehener Eisstoß auf. Am 9. Februar erreichte er die Reichsbrücke, die Donau war auf einer Länge von 40 Kilometern von Bratislava bis in die Wachau zugefroren. Massen von Schaulustigen strömten an die Ufer, man sprach von „Schollenchaos, Eiswüste und Gletscherspalten“. Der Verein „Verkühle dich täglich!“ schlus ein Loch in die Eisdecke und mehere Vereinsmitglieder tauchten in die eisigen Fluten. Ein Monat lang war der Eisstoß „die Hauptattraktion“ in Wien, am 15. März setzte sich das Eis langsam in Gang, der Abgang verlief ohne größere Schäden.

1940 Eisstoß
„Man sieht hochgetürmte Eisberge. Es schaut aus, als hätten Eiswagen einfach ihre Last auf einer weiten Ebene hingeschüttet.“ So beschreibt die „Illustrierte Kronen-Zeitung“ den Eisstoß, der nach lang anhaltender Kältewelle am 22. Jänner 1940 Wien erreichte. „Die schwache Strömung hat nicht verhindern können, dass sich im Donaukanal schon eine feste Eisdecke gebildet hat. Bei der Urania kann man noch einige freie, aber schon viel mehr vereiste Stellen sehen“. Die Eismassen, die am frühen Nachmittag die Stadt erreichten, zogen etliche Schaulustige an, die das immer wiederkehrende Naturschauspiel neugierig bewunderten. Dabei war der Eisstoß nicht ganz so spektakulär wie jener von 1929. Tausende Wiener zogen an die Reichsbrücke und bis zu den Schiffmühlen hinunter. Der Verein „Verkühle dich täglich“ wagte sich wieder in die Fluten.

1954 Sommerhochwasser (30-jähriges HW)
Mehr als 20 Tage regnete es im Juli 1954, aus dem bairischen Raum kam die Donau bereits mit erhöhtem Pegel nach Österreich und die Zuflüsse aus Oberösterreich, Tirol und Salzburg brachten ebenso enorme Wassermassen mit sich. Am 15. Juli 1954 berichtete die Wiener Zeitung: „…..Weitere Räumungen auf dem Handelskai, auf der Brigittenauer Lände, am Dammhaufen, in Albern und Fischamend waren notwendig. Der Handelskai steht in seiner ganzen Länge etwa ein bis eineinhalb Meter unter Wasser.“ Schutzdämme im 22. Bezirk kamen zum Einsturz und in der Leopoldstadt, vor allem im Bereich des unteren Praters, bestand akute Seuchengefahr. Der am 14.7.1954 in Wien gemessene Höchstpegel der Donau betrug 8,61 Meter, somit das extremste Hochwasser seit 1899.

1975 Sommerhochwasser Anfang Juli (10-jähriges HW)
Die Rathauskorrespondenz dokumentiert: 1. Juli 1975 – Pegel der Donau von 5,8 m überschritten, anhaltender Regen, alle Wienerwaldbäche nähern sich der Hochwassermarke; 2. Juli – wesentliche Verschärfung der Situation, der Pegel bei der Reichsbrücke erreicht 7,10 m, erste Evakuierungsmaßnahmen werden vorbereitet; Damm in Albern gebrochen; 3. Juli – am Handelskai treiben leere Transportcontainer ab und werden, um evt . Schäden an Brückenpfeilern abzuwenden, von der Polizei mit Maschinengewehren beschossen, um sie zu versenken. 4. Juli – für 21 Uhr wird eine Überschreitung der 8 m Marke des Pegels bei der Reichbrücke erwartet. Danach fallen die Pegelstände langsam.

2002 Sommerhochwasser im August (100-jähriges HW)
Aufgrund anhaltender massiver Regenfälle führten viele der Zuflüsse Hochwasser, der große Schäden in Ober- und Niederösterreich verursachte. Wien: Hafenanlagen Freudenau und Copa Cagrana überflutet, Marchfeld-Schutzdamm stark gefährdet.

2013 Jahrhunderthochwasser im Juni
In der Nacht von 5. auf 6. Juni erreichte die Donau in Wien einen Pegelhöchstwert von 8,09 Metern in Korneuburg. Wien blieb dank der Donauinsel und der Neuen Donau weitgehend unversehrt, es kam lediglich zu Überschwemmungen im Alberner Hafen, Ölhafen Lobau, Sunken City (nomen est omen) und der Copa Kagrana.

Jahrhunderte lang waren Eisstöße auf der Donau berüchtigt. Was früher noch eine durchaus regelmäßig auftretende Winterattraktion der Donau war, tritt in unserer modernen Zeit so gut wie kaum mehr auf. Im Winter 2015/2016 gab es auf der österreichischen Donau nicht einmal Randeisbildung, geschweige denn, dass ein Streckenabschnitt hätte gesperrt werden müssen.